PRÄSIDIUM
DES
VERFASSUNGSGERICHTSHOFES
1010 Wien, Judenplatz 11
Tel. +431/53122 417
FAX +431/53122 499
ORF-Gesetz nicht
verfassungswidrig
Der
Verfassungsgerichtshof hat heute, Mittwoch, 25. Juni 2003, seine Entscheidung
im Verfahren um das neue ORF-Gesetz bekannt gegeben. Unter anderem entschied
der Gerichtshof in folgenden drei für die breitere Öffentlichkeit interessanten
Punkten:
o
Erhöhte Qualitätsansprüche im Hauptabendprogramm erlaubt
Die
Wiener Landesregierung hielt jene Passage des ORF-Gesetzes für
verfassungswidrig, wonach "jedenfalls in den Hauptabendprogrammen in der
Regel anspruchsvolle Sendungen zur Wahl stehen" müssen. Dies sei ein
direkter Eingriff in die Programmgestaltungsfreiheit des ORF.
Der
Verfassungsgerichtshof ist anderer Ansicht. Es geht hier nämlich nicht um die
isolierte Bewertung einzelner Sendungen, sondern um die Jahres- und
Monatsschemata des Fernsehens, die gemäß dieser zulässigen Zielbestimmung der
Programmgestaltung zu erstellen sind. Wenn der Gesetzgeber im Rahmen eines
dualen Rundfunksystems den öffentlich-rechtlichen ORF an erhöhte Qualitätsansprüche
bindet, ist verfassungsrechtlich gesehen nichts dagegen einzuwenden.
o
Werbebeschränkung für Printmedien zulässig
Bekämpft
wurde weiters die Bestimmung des ORF-Gesetzes, die eine Werbebeschränkung für
Printmedien zur Folge hat: Im Fernsehen darf lediglich auf Titel und
Blattlinie, nicht aber auf den Inhalt hingewiesen werden. Außerdem darf die
dafür eingeräumte Sendezeit maximal zwei Minuten der gesamten wöchentlichen
Werbezeit ausmachen. Dies stehe in Widerspruch zur Meinungsäußerungsfreiheit.
Der
Gerichtshof hält diese Bestimmung im ORF-Gesetz aus verfassungsrechtlicher
Sicht für zulässig. Sie beschränkt den ORF als dominierenden Teilnehmer am
österreichischen Fernsehmarkt in seinen Möglichkeiten, aus Werbung Einnahmen zu
verbuchen. Sie zielt daher darauf ab, private Fernsehbetreiber zu begünstigen
und ihnen Marktchancen zu
eröffnen.
Die entsprechenden Regelungen im ORF-Gesetz führen außerdem dazu, dass die
Werbepräsenz marktmächtiger Printmedien herabgesetzt wird, was sich im
Wettbewerb zugunsten finanzschwächerer Printmedien auswirken kann.
Dies
alles ist ein legitimes Ziel im Sinne des Artikel 10 der Europäischen
Menschenrechtskonvention, der sich mit der Freiheit der Meinungsäußerung
auseinandersetzt.
Die
Beschränkung der Werbung für Printmedien auf Titel und Blattlinie wiederum ist
eine Regelung, die mit dem Ziel der Objektivitätssicherung und der
Unabhängigkeit des ORF in Einklang gebracht werden kann.
o
Zusammensetzung des Stiftungsrates: Antrag in vorliegender Form unzulässig
In
dem Verfahren zum ORF-Gesetz ging es auch um die Zusammensetzung des
Stiftungsrates. Sie sei gleichheitswidrig, unsachlich und deshalb
verfassungswidrig, wurde behauptet.
Der
Antrag der Wiener Landesregierung ist, so der Verfassungsgerichtshof, in diesem
Punkt jedoch aus formalen Gründen unzulässig. Bekämpft wurden in diesem
Zusammenhang nämlich nur jene Bestimmungen des ORF-Gesetzes, die die Entsendung
in den Stiftungsrat durch die Bundesregierung auf Vorschlag der politischen
Parteien im Nationalrat, durch die Bundesregierung selbst, durch die
Bundesländer und durch den Publikumsrat zum Inhalt hatten.
Nicht
angefochten wurde jedoch jene Regelung, wonach fünf Mitglieder vom
Zentralbetriebsrat in den Stiftungsrat entsendet werden.
Wäre
der Verfassungsgerichtshof den Ausführungen der Wiener Landesregierung
tatsächlich gefolgt, bliebe also die nicht angefochtene Bestimmung übrig, würde
der Stiftungsrat nur mehr aus fünf Mitgliedern, die vom Zentralbetriebsrat
entsendet werden, bestehen.
Da
Anträge nach ständiger Rechtssprechung unzulässig sind, wenn der Sinn der
verbleibenden Bestimmung nicht mehr dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers
entspricht, war dieser Antrag zurückzuweisen.
Obwohl
der Antrag zulässig gewesen wäre, hätte er die Aufhebung der gesamten
entsprechenden Regelung verlangt, konnte sich der Verfassungsgerichtshof damit
nicht auseinandersetzen, da er nur auf Basis der tatsächlich an ihn gestellten
Anträge tätig werden darf.