PRÄSIDIUM

DES VERFASSUNGSGERICHTSHOFES

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ORF-Gesetz nicht verfassungswidrig

 

Der Verfassungsgerichtshof hat heute, Mittwoch, 25. Juni 2003, seine Entscheidung im Verfahren um das neue ORF-Gesetz bekannt gegeben. Unter anderem entschied der Gerichtshof in folgenden drei für die breitere Öffentlichkeit interessanten Punkten:

 

 

o Erhöhte Qualitätsansprüche im Hauptabendprogramm erlaubt

 

Die Wiener Landesregierung hielt jene Passage des ORF-Gesetzes für verfassungswidrig, wonach "jedenfalls in den Hauptabendprogrammen in der Regel anspruchsvolle Sendungen zur Wahl stehen" müssen. Dies sei ein direkter Eingriff in die Programmgestaltungsfreiheit des ORF.

 

Der Verfassungsgerichtshof ist anderer Ansicht. Es geht hier nämlich nicht um die isolierte Bewertung einzelner Sendungen, sondern um die Jahres- und Monatsschemata des Fernsehens, die gemäß dieser zulässigen Zielbestimmung der Programmgestaltung zu erstellen sind. Wenn der Gesetzgeber im Rahmen eines dualen Rundfunksystems den öffentlich-rechtlichen ORF an erhöhte Qualitätsansprüche bindet, ist verfassungsrechtlich gesehen nichts dagegen einzuwenden.

 

 

o Werbebeschränkung für Printmedien zulässig

 

Bekämpft wurde weiters die Bestimmung des ORF-Gesetzes, die eine Werbebeschränkung für Printmedien zur Folge hat: Im Fernsehen darf lediglich auf Titel und Blattlinie, nicht aber auf den Inhalt hingewiesen werden. Außerdem darf die dafür eingeräumte Sendezeit maximal zwei Minuten der gesamten wöchentlichen Werbezeit ausmachen. Dies stehe in Widerspruch zur Meinungsäußerungsfreiheit.

 

Der Gerichtshof hält diese Bestimmung im ORF-Gesetz aus verfassungsrechtlicher Sicht für zulässig. Sie beschränkt den ORF als dominierenden Teilnehmer am österreichischen Fernsehmarkt in seinen Möglichkeiten, aus Werbung Einnahmen zu verbuchen. Sie zielt daher darauf ab, private Fernsehbetreiber zu begünstigen und ihnen Marktchancen zu


 

eröffnen. Die entsprechenden Regelungen im ORF-Gesetz führen außerdem dazu, dass die Werbepräsenz marktmächtiger Printmedien herabgesetzt wird, was sich im Wettbewerb zugunsten finanzschwächerer Printmedien auswirken kann.

 

Dies alles ist ein legitimes Ziel im Sinne des Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention, der sich mit der Freiheit der Meinungsäußerung auseinandersetzt.

 

Die Beschränkung der Werbung für Printmedien auf Titel und Blattlinie wiederum ist eine Regelung, die mit dem Ziel der Objektivitätssicherung und der Unabhängigkeit des ORF in Einklang gebracht werden kann.

 

 

o Zusammensetzung des Stiftungsrates: Antrag in vorliegender Form unzulässig

 

In dem Verfahren zum ORF-Gesetz ging es auch um die Zusammensetzung des Stiftungsrates. Sie sei gleichheitswidrig, unsachlich und deshalb verfassungswidrig, wurde behauptet.

 

Der Antrag der Wiener Landesregierung ist, so der Verfassungsgerichtshof, in diesem Punkt jedoch aus formalen Gründen unzulässig. Bekämpft wurden in diesem Zusammenhang nämlich nur jene Bestimmungen des ORF-Gesetzes, die die Entsendung in den Stiftungsrat durch die Bundesregierung auf Vorschlag der politischen Parteien im Nationalrat, durch die Bundesregierung selbst, durch die Bundesländer und durch den Publikumsrat zum Inhalt hatten.

 

Nicht angefochten wurde jedoch jene Regelung, wonach fünf Mitglieder vom Zentralbetriebsrat in den Stiftungsrat entsendet werden.

 

Wäre der Verfassungsgerichtshof den Ausführungen der Wiener Landesregierung tatsächlich gefolgt, bliebe also die nicht angefochtene Bestimmung übrig, würde der Stiftungsrat nur mehr aus fünf Mitgliedern, die vom Zentralbetriebsrat entsendet werden, bestehen.

 

Da Anträge nach ständiger Rechtssprechung unzulässig sind, wenn der Sinn der verbleibenden Bestimmung nicht mehr dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers entspricht, war dieser Antrag zurückzuweisen.

 

Obwohl der Antrag zulässig gewesen wäre, hätte er die Aufhebung der gesamten entsprechenden Regelung verlangt, konnte sich der Verfassungsgerichtshof damit nicht auseinandersetzen, da er nur auf Basis der tatsächlich an ihn gestellten Anträge tätig werden darf.